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Diskussionsrunde

Alte Medien versus neue Medien - der Kampf um die Demokratie

09.04.2025
Ansprechpartner*in
Christiane Seeger

Ingo Nave, Libuse Cerna und Filip Titlbach (v.l.n.r.)

Im Rahmen des Festivals „So macht man Frühling“ fand im EuropaPunkt eine Diskussion mit Ingo Nave (Stellvertretender Direktor Bremische Landesmedienanstalt) und dem tschechischen Journalisten und Podcaster Filip Titlbach statt. Dr. Olaf Joachim (Bevollmächtigter der Freien Hansestadt Bremen beim Bund und für Europa) sprach bei der Einführung über den Digital Service Act und das Europäische Medienfreiheitsgesetz. Medienfreiheit und Pluralismus seien keine Selbstverständlichkeit, sondern müssen verteidigt werden.

Die Moderatorin Libuše Černá fragte alle Anwesenden, wie sie sich denn heute früh informiert hätten. Zwei Personen haben eine gedruckte Tageszeitung gelesen. Ingo Nave liest online, hat ein ePaper-Abo seiner Tageszeitung und checkt die Portale großer Nachrichtenmagazine und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Filip Titlbach sagte, er habe in sein Handy gesehen, über Trumps neue Zölle gelesen, ein Anti-Depressivum eingeworfen und eine Zigarette geraucht. Danach habe er gefrühstückt.

Nave startet mit den neuen Playern der Medienwelt, den Plattformen. Sie seien die Hauptquelle für Nachrichten und Unterhaltung, damit hätten sie eine große Macht. Ihre Algorithmen sortieren und ranken Beiträge. Die Algorithmen sind sensationslüstern und belohnen Clickbaiting. Jede/r könne veröffentlichen, dieses fördere die Vielfalt, aber auch die möglichen problematischen Inhalte (Pornografie, falsche oder verletzende Inhalte). Die EU unternimmt den Versuch, die Plattformen zu regulieren und für Inhalte in Verantwortung zu nehmen. Deutschland sei Vorbild dabei.

Filip Titlbach berichtet von der Präsidentschaftswahl in Rumänien. Der Kandidat Georgescu wäre nicht im Stadtbild präsent gewesen, gewann aber trotzdem im ersten Durchgang der Wahl. Er hatte eine starke Präsenz auf TikTok. Von Russland bezahlte Dienste steigerten den Bekanntheitsgrad. Die meisten Stimmen bekam Georgescu von jungen Menschen und Rumänen, die im Ausland leben. Die Wahlen wurden annuliert und Georgescu darf nicht mehr kandidieren. Die Entscheidung des Gerichts wird von einem Teil der Bürger als undemokratisch angesehen. Titlbach ist der Meinung, dass wir den Kampf um Demokratie in den neuen Medien komplett verlieren. „Wir sollten Angst vor digitalen Medien haben, nicht vor den Panzern“, sagt die Kriegsreporterin Petra Procházková, die im Publikum saß. Die Situation in Rumänien sollte ein Weckruf für uns sein, meint Titlbach. Russland habe großes Interesse daran, Einfluss zu nehmen, besonders in den ehemaligen Sowjetrepubliken.

Die AFD sei die erfolgreichste Onlinepartei, so Nave. Er berichtet von den Fake-Meldungen über Bettwanzen in Frankreich. Die Meldungen wurden von russischer Seite aus verbreitet, um zu verunsichern. Cerna hakt nach: Solle man „X“ (vormals Twitter) aus Protest verlassen oder lieber bleiben und sich wehren? Ingo Nave nennt den Verfall von „X“ eine „große Tragödie“ und „seit Musk eine Propaganda-Plattform“. Er bleibt trotzdem dabei, beobachtet und setzt Gegengewichte. Titlbach hält das für eine ehrenmoralische Handlung, die keine Auswirkungen habe.

Er führt aus: In den neuen Medien brauche die Politik keine kritischen Journalisten mehr. Sie haben die Möglichkeit, in kurzen Videos ihre Statements unwidersprochen zu verbreiten. Podcasts sind ein Versuch von Journalisten, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Das Problem sind die Bubbles, dieses beträfe die Gesellschaft insgesamt. Medien waren früher der Marktplatz, wo alle zusammenkommen und sich austauschen konnten. Wenn Zeitungen sterben, bekommt jede/r nur noch das mit, was in seine oder ihre Timeline gespült wird. In Tschechien spricht man über die Verstaatlichung der öffentlich-rechtlichen Medien. In der Slowakei seien diese schon gleichgeschaltet. Titlbach fragt, woher der Optimismus käme.

Der Media Freedom Act biete eine gewisse Sicherheit, entgegnet Nave. Ungarn hat ein EU-Verletzungsverfahren am Hals. Der Digital Service Act nimmt Plattformen in die Verantwortung, bestimmte Inhalte zu löschen. Bei dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober habe das gut funktioniert, die meisten Videos seien schnell gelöscht worden. Nach einer Stunde seien die Inhalte verschwunden. Die Plattformen hätten 24 Stunden Zeit für eine Rückmeldung an die EU. In den USA seien Sicherungen abgeschafft worden, in der EU nicht. Bußgelder können bis sechs Prozent der Bruttoeinnahmen der Plattform betragen. Titlbach sieht es als Problem an, dass die EU nicht mit einer Stimme spräche und weder von Trump noch von Putin ernstgenommen werde. Nave meint, die EU sei viel größer als die USA und neige dazu, sich zu verzwergen. Die Schwäche bei nicht geschlossenem Auftreten sieht er auch: „Als Demokrat jeden Tag wachsam sein.“ Die Werbepreise seien eingebrochen und der Markt konzentriert sich auf die Plattformen, die mit Mikropayment Milliarden scheffeln. TikTok sei eine Gefahr. Daten würden gnadenlos abgesagt, so Nave. Er bleibt optimistisch: „Die Demokratie ist nicht verloren, aber man muss um sie kämpfen!“

Der DJV Bremen war Kooperationspartner bei dieser Veranstaltung.

Bremen
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