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Nachruf

Andreas Heib

10.08.2020

Nein, plötzlich und unerwartet ist Andreas Heib nicht gestorben. Seit Jahrzehnten hatte er mit schweren und schwersten Krankheiten zu kämpfen, was ihn im Gegensatz zu vielen anderen jedoch nicht verbittert gemacht hat, sondern zu einem besonders gelassenen und geduldigen Menschen.

„Was für ein feiner Mensch“, sagte meine Frau Tania, nachdem sie ihn kennengelernt hatte. Als ich ihr dann etwas über seine Lebensgeschichte erzählte, sagte sie: „Und trotzdem ist er doch so bescheiden.“

Ja, Andreas hätte allen Grund gehabt, mit seinen Talenten zu prahlen – allein schon mit seinen Sprachkenntnissen. Er konnte nicht nur Englisch, Französisch und Italienisch, hatte ein Staatsexamen in Klassischer Philologie abgelegt, beherrschte Altgriechisch, Latein, Hebräisch und Jiddisch. Und selbst in Sanskrit hatte er gute Kenntnisse.

Lehrbeauftragter für jiddische Sprache und Literatur an der Universität Trier, ein Gastspiel beim Circus Roncalli, freie journalistische Arbeit für diverse Nachrichtenagenturen und acht Jahre angestellt bei Radio Luxembourg – das waren die beruflichen Stationen des gebürtigen Saarländers, bevor er 1989 als Nachrichtenredakteur zu Radio Bremen kam.

Dann ein herber Schicksalsschlag: Eine schlimme Krebserkrankung. Die Ärzte gaben ihm nur eine geringe Überlebenschance. Aber er schaffte es. Nach monatelangem Krankenhausaufenthalt kam er völlig abgemagert nach Hause, wo ihn seine Frau Ulrike, mit der er seit seiner Jugend zusammen war, liebevoll pflegte.

Und damit begann eine schier unglaubliche Geschichte. Was sollte er in der Zeit seiner Rekonvaleszenz tun? Sprachen lernen? Er konnte ja fast alle. Also entschied er, sich mit einer Materie zu beschäftigen, die ihm als Altphilologen bisher völlig fremd gewesen war: Computer. Ulrike kaufte ihm einen PC. Und Andreas las sämtliche Fachliteratur, die er finden konnte. Nach einiger Zeit wies der Autodidakt dann einen Verlag mehrfach auf Fehler in Fachbüchern hin, was ihm nicht nur Dankesbekundungen eintrug, sondern schließlich das Angebot, er möge doch selber mal ein Computerbuch schreiben.

Er tat es. Im Jahr 1998 erschien „Windows 98 – Frequently Asked Questions“. Zwei weitere Bücher folgten – mit dem Ergebnis, dass Microsoft auf Andreas aufmerksam wurde und Bill Gates ihn in einen Kreis von weltweit etwa 200 „Beta-Testern“ berief, die neue Entwicklungen vorab kritisch begleiten. Für seine guten Ratschläge bekam Andreas die Auszeichnung „Microsoft Most Valuable Professional“.

Da er kein großes Aufhebens davon machte, wunderten sich dann einige, als der Radio Bremen – Intendant Heinz Glässgen 2001 den Altphilologen Andreas Heib mit der Leitung der Online-Redaktion betraute. Ausnahmslos alle, die unter Andreas‘ Leitung in dieser Redaktion arbeiteten, bestätigen, dass dies eine absolut richtige Entscheidung war. Nicht nur wegen Andreas‘ Kompetenz, sondern vor allem auch wegen seines einfühlsamen Umgangs mit Menschen. Immer liebevoll, hilfsbereit und geduldig, auf Harmonie bedacht, aber -  zum Leidwesen mancher Radio Bremen-Hierarchen – dabei überhaupt nicht konfliktscheu.

Die letzten Jahre bei Radio Bremen waren für Andreas leider nicht mehr schön. Zwar war er immer begeistert von technischen Innovationen, aber an der generellem Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hatte er viel Kritik. Große Freude fand er jedoch als A-Cappella-Sänger in dem Barbershop-Team „Freshermen’s Fish“ und bei vielen Israel-Reisen, die er trotz mehrerer  Herzoperationen immer wieder unternahm.

Persönlich schulde ich Andreas großen Dank. Er hat mir unendlich viel geholfen, als ich vor 18 Jahren in einer tiefen Lebenskrise steckte.

Andreas Heib wurde – wie meine Frau Tania – nur 66 Jahre alt. Bei ihrer Beerdigung habe ich ihn zum letzten Mal gesehen.

(Theo Schlüter)

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